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Krankenkasse muss Cannabis zur Behandlung eines Schlafapnoesyndroms mit Zähneknirschen und Tagesmüdigkeit nicht bezahlen

Datum: 08.03.2021

Kurzbeschreibung: 

Bei der Versorgung mit Cannabis nach § 31 Abs. 6 SGB V ist von einer „schwerwiegenden Erkrankung“ auszugehen, wenn es sich um eine lebensbedrohliche oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung handelt, die sich durch ihre Schwere oder Seltenheit vom Durchschnitt der Erkrankungen abhebt. Dies ist bei einem Schlafapnoesyndrom mit Zähneknirschen und Tagesmüdigkeit nicht der Fall.

Urteil vom 26.02.2021, Aktenzeichen L 4 KR 1701/20

Das LSG Baden-Württemberg muss sich in letzter Zeit immer häufiger mit der Frage beschäftigen, in welchen Fällen es Cannabis auf Rezept gibt. So auch in dem hier am 26. Februar 2021 entschiedenen Fall:

Im November 2018 beantragte der 48jährige Kläger K die Versorgung mit Medizinal-Cannabisblüten von abendlich 2,5g zur Behandlung eines Schlafapnoesyndroms mit Schlafstörungen, Tagesmüdigkeit und Zähneknirschen. Trotz der CPAP-Versorgung mit einer Nasenmaske bestehe ständig Tagesmüdigkeit, da der Schlaf sehr unruhig sei und er sich ständig hin- und herwälze. Alle Therapieversuche hätten nichts gebracht. Weitere alternative Behandlungsoptionen gebe es nicht. Die Verwendung von Cannabisblüten habe hingegen zu einem erholsamen und ruhigen Schlaf geführt; eine Tagesmüdigkeit habe dann nicht mehr bestanden. K legte einen von seinem Hausarzt ausgefüllten Arztfragebogen vor. Hierin wurde die Versorgung mit Cannabisblüten von 2,5g täglich befürwortet. Das Schlafapnoesyndrom sei vorliegend als besonders schwere Erkrankung zu klassifizieren. Die Lebensqualität des K sei auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt.

Die beklagte Krankenkasse lehnte die Übernahme der Kosten für cannabishaltige Arzneimittel ab. Denn selbst bei nicht zufriedenstellendem Therapieerfolg mit einer CPAP-Maske stünden weitere, anerkannte Therapiemethoden (Gewichtsreduktion, Unterkieferprotrusionsschiene, Maßnahmen zur Vermeidung des Schlafes in Rückenlage sowie chirurgische Therapieverfahren) zur Verfügung.

Widerspruch und Klage des K blieben erfolglos. Der 4. Senat des Landessozialgerichts hat die hiergegen gerichtete Berufung des K zurückgewiesen: Ein Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten nach § 31 Abs. 6 SGB V scheitere schon daran, dass K nicht schwerwiegend erkrankt sei. Weder liege eine lebensbedrohliche noch eine die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung vor, die sich durch ihre Schwere oder Seltenheit vom Durchschnitt der Erkrankungen abhebe. Anhaltspunkte dafür, dass K an einer schwerwiegenden Form eines Schlafapnoesyndroms mit ganz massiven Schlafstörungen und daraus resultierenden erheblichen körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen leide (wie etwa abnorme Einschlafneigung tagsüber), lägen nicht vor. Im Übrigen handle es sich beim Schlafapnoesyndrom auch nicht um eine seltene Erkrankung. Laut vorliegenden Unterlagen würden 9 % der Männer und 4 % der Frauen unter schlafbezogenen Atmungsstörungen leiden. Im Übrigen stünden dem K auch anerkannte Standardtherapien zur Verfügung. So sei K bereits mit einem CPAP-Gerät versorgt, welches laut dessen Vortrag „pneumologisch ordentlich“ eingestellt sei. Laut Angaben seines Hausarztes habe K die Behandlung mit Schlafmitteln als die dem medizinischen Standard entsprechende Leistung abgelehnt. Dem Vorbringen des K lasse sich damit nicht einmal im Ansatz entnehmen, dass entsprechende Standardtherapien erfolglos durchgeführt worden seien oder bei ihm nicht zur Anwendung kommen könnten. Im Übrigen sei dieser mittlerweile auch mit einer Unterkieferprotrusionsschiene versorgt.

Hinweis zur Rechtslage:

Nach § 31 Abs. 6 SGB V haben Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn 1. eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht oder im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann, 2. eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.

 

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