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Einschränkungen bei der neuen „Rente mit 63“ rechtmäßig – grundsätzlich keine Anrechnung von Zeiten der Arbeitslosigkeit in den letzten 2 Jahren vor Rentenbeginn

Datum: 12.07.2016

Kurzbeschreibung: Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat vor wenigen Tagen Einschränkungen bei der neuen „Rente mit 63“ für rechtmäßig befunden. Zeiten der Arbeitslosigkeit in den letzten 2 Jahren vor Rentenbeginn werden im Regelfall nicht auf die notwendigen Versicherungszeiten von 45 Jahren (sog. Wartezeit) angerechnet. Damit sollen Fehlanreize vermieden werden, insbesondere eine faktische „Rente mit 61“ zu Lasten der Sozialversicherung.
  
Urteil vom 21. Juni 2016, Az. L 9 R 695/16

Der im August 1951 geborene, bei einem großen Stuttgarter Automobilhersteller beschäftigte Versicherte beendete aus gesundheitlichen Gründen sein Arbeitsverhältnis mit Aufhebungsvertrag zum 31.12.2011 und erhielt eine Abfindung in Höhe von 45.000 €. Anschließend bezog er 2 Jahre Arbeitslosengeld bis zum 31.12.2013. Im Juli 2014 beantragte er die von der „Großen Koalition“ eingeführte Altersrente für besonders langjährige Versicherte („Rente mit 63“) ab dem 01.09.2014.

Die Deutsche Rentenversicherung lehnte dies ab, da keine 45 Versicherungsjahre (= 540 Beitragsmonate) vorlägen, es fehlten 15 Monate. Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs könnten in den letzten 2 Jahren vor Rentenbeginn grundsätzlich nicht berücksichtigt werden; eine Ausnahme bestehe nur bei vollständiger Geschäftsaufgabe oder Insolvenz des Arbeitgebers. Der Versicherte erhielt sodann eine niedrigere Altersrente wegen Arbeitslosigkeit bewilligt.

Mit seiner Klage hat der Versicherte geltend gemacht, es liege ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor. Mit seinen Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs komme er auf 542 Monate anrechenbare Zeiten.

Die Klage vor dem Sozialgericht Ulm war erfolglos und auch die Richterinnen und Richter des zuständigen 9. Senats des Landessozialgerichts haben der Deutschen Rentenversicherung Recht gegeben. Die Regelungen zur Anrechnung von Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, betonte der Senat. Der Gesetzgeber hat den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum nicht verletzt. Die Erwägung, Fehlanreize in Richtung Frühverrentung zu vermeiden, ist nachvollziehbar; aus der „Rente mit 63“ soll keine „Rente mit 61“ zu Lasten der Sozialversicherung werden. Zur Vermeidung von Härtefällen gibt es eine Ausnahmeregelung, wodurch die Interessen der Versicherten ausreichend geschützt werden. Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs können in den zwei Jahren vor Rentenbeginn ausnahmsweise doch angerechnet werden, wenn sie durch „Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers“ bedingt sind. Ein solcher Fall hat aber nicht vorgelegen.

Das Landessozialgericht hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen.

 

Sozialgesetzbuch (SGB)

 § 236b Abs. 1 SGB VI (Altersrente für besonders langjährig Versicherte)

 

Versicherte, die vor dem 1. Januar 1964 geboren sind, haben frühestens Anspruch auf Altersrente für besonders langjährig Versicherte, wenn sie

1.das 63. Lebensjahr vollendet und

2.die Wartezeit von 45 Jahren erfüllt

haben.

 § 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 1 – 3 SGB VI (Anrechenbare Zeiten)

Auf die Wartezeit von 45 Jahren werden Kalendermonate angerechnet mit

1. Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit,

2. Berücksichtigungszeiten,

3. Zeiten des Bezugs von

a) Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung,

b) Leistungen bei Krankheit und

c) Übergangsgeld,

soweit sie Pflichtbeitragszeiten oder Anrechnungszeiten sind; dabei werden Zeiten nach Buchstabe a in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht berücksichtigt, es sei denn, der Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung ist durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt.

Dr. Steffen Luik

Richter am Landessozialgericht

- Pressesprecher -

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